Parkprognose statt City Chaos

Wie KI helfen kann, Parkplätze zu managen

© Martin Albermann

Wie lässt sich öffentlicher Parkraum intelligenter managen? Und wie erreicht man stets die optimale Auslastung von Parkhäusern? Mit Fragen rund um lebenswerte Umwelten beschäftigt sich ein Team am KODIS im Rahmen von drei Projekten. Im Kern geht es darum, Daten und Erfahrungswerte zu Prognosen zu verarbeiten und als anwendungsfreundliche Dienste bereitzustellen.

Auf den ersten Blick ist die Theresienstraße in Heilbronn sowas wie ein in die Länge gezogener Parkplatz: Unter hohen Ahornbäumen sind rund 700 Parkbuchten entlang der etwa 400 Meter langen Sackgasse aufgereiht wie Perlen an einer Schnur. Ob Citybummler oder Besuchende eines Events auf der benachbarten Theresienwiese am Neckarufer: Wer sein Auto in Heilbronn kostenlos abstellen möchte, hat hier gute Chancen, eine Parkbucht zu finden.

Philipp Göbels und Sebastian Straßburg sehen in der Theresienstraße mehr als einen Parkplatz. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter am KODIS haben sie im Rahmen des Projekts »Parkko« zu einer Art Reallabor gemacht: Zwischen Dezember 2022 und Juni 2024 haben sie hier im Auftrag der Stadt Heilbronn mithilfe von Kontaktschleifen im Asphalt gemessen, wie stark die Straße und ihre Parkbuchten frequentiert waren. »Solche Magnetfelder gibt es an zahlreichen Ampeln und an allen großen Kreuzungen, so auch an der Ein- und Ausfahrt zur Theresienstraße«, sagt Philipp Göbels. »Wir mussten sie nur nutzen.« Daten auswerten, die es sowieso schon gibt: Das ist ein Teil ihrer Forschungsidee.

Vom Wetter zur Parkprognose

Der zweite Teil – und hier kommen die Prognosemodelle auf Grundlage von KI-basierten Algorithmen ins Spiel – besteht darin, die tatsächliche Belegung in Beziehung zu weiteren Indikatoren zu setzen. Im Falle der Theresienstraße sind das zum Beispiel eine Schule, ein Sportplatz oder ein Foodcourt in unmittelbarer Umgebung. Dann ein Gewerbe- und ein Wohngebiet in der Nachbarschaft. Hinzu kommen temporäre Ereignisse: Wann beginnt die Schule? Findet ein Event auf der Theresienwiese statt? Scheint heute die Sonne? »Wir schauen uns die Parksituation unter Berücksichtigung solcher äußeren Umstände an und lernen auf diese Weise, wie das eine mit dem anderen zusammenhängt«, sagt Sebastian Straßburg. Im Kern geht es den Forschenden darum, einen maßgeschneiderten Datensatz zu schaffen, aus dem sich ableiten lässt, welchen Mustern und Rhythmen das Leben und somit die Mobilität in einer Stadt folgt – und was das für die Parksituation bedeutet. Gelingt ihnen das, sind sie in der Lage, künftige Parksituationen mithilfe von Wahrscheinlichkeitsrechnungen zu prognostizieren. Bildlich gesprochen, arbeiten Göbels und Straßburg zusammen mit anderen Kolleginnen und Kollegen am KODIS an einer Art Wettervorhersage für den Parkraum. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass ihre Vorhersage das »Wetter« – also den Verkehr – sogar positiv beeinflussten könnte. »Unser Ziel ist es, zur Planung und Gestaltung lebenswerter Städte beizutragen«, so Göbels.

Vorbeugen gegen Parkdruck

In der Industrie 4.0 ist dieses Prinzip als »Predictive Maintenance« längst bekannt: So lassen sich Maschinen mithilfe von Datenanalysen und Algorithmen vorausschauend warten. Auf Basis von Sensordaten und Erfahrungswerten über Ausfälle kann berechnet werden, wann ein Bauteil ermüden wird und erneuert werden muss. Es ist dieses Prinzip, das die Wissenschaftler nun auf den Parkraum übertragen haben.

In einer weiteren Forschungsarbeit, dem Projekt »Park-an«, verfolgen sie dabei einen Ansatz, der sogar ohne Kontaktschleife und Autozählung auskommen könnte. »Die Sensorik zur Datenprüfung bei Parkko ist kostspielig und lässt sich zunächst nur im kleinen Raum anwenden«, sagt Göbels. »Eine ganze Stadt damit auszustatten, wäre zu teuer.« Daher verwenden die Forschenden bei »Park-an« freizugängliche Nutzungsdaten, etwa von Online-Kartendiensten. »Der Anbieter ›OpenStreetMap‹ liefert kostenlos Infos über Standorte von Tankstellen, Eisdielen, Kinos oder Grünflächen – sogar Parkbänke sind in den rund 150 Kategorien verzeichnet«, so Göbels. Wichtig: Auch Parkflächen sind gekennzeichnet. Auf Basis dieser frei verfügbaren Daten versuchen Göbels und Straßburg, Verkehrsflussdaten zu modellieren. Ihre Ergebnisse könnten stadtplanerische Prozesse unterstützen und Ämtern eine bessere Datengrundlage für Entscheidungen liefern. »Dies könnte einen wertvollen Beitrag für ein ganzheitliches datengestütztes Parkraummanagement leisten«, sagt Straßburg.

Die Ergebnisse könnten für Kommunen durchaus wertvoll sein: Um Chaos zu vermeiden, könnten sie künftig bestehende Parkplätze im engen Radius um die City kurzfristig im Preis anheben oder die maximale Parkdauer verkürzen, um Menschen dazu zu animieren, begehrte Parkflächen schneller wieder freizugeben oder gleich außerhalb zu parken.

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»Unsere Ergebnisse könnten Kommunen auch in städtebaulichen Fragen eine Hilfe sein«, sagt Vincent Philipp Göbels, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team Public Service Innovation.
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»parkko könnte einen wertvollen Beitrag für ein ganzheitliches datengestütztes Parkraummanagement leisten«, sagt Sebastian Straßburg, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team Public Service Innovation.

Ein optimiertes Parkleitsystem könnte Parkplatzsuchende in Echtzeit dahin leiten, wo es noch Stellplätze gibt – und somit dazu beitragen, das Verkehrsgeschehen zu entlasten. Bei der Reduzierung des Stadtverkehrs von morgen könnten vor allem »Mobility Hubs« eine zentrale Rolle spielen. So werden Mobilitätsdrehkreuze bezeichnet, die vor allem Pendlerinnen und Pendlern die Reise in die Stadt erleichtern sollen. Die Idee: Wer in die Stadt fahren möchte, lässt das Auto im Mobility Hub in der Peripherie stehen und setzt die Fahrt mit Bus, Bahn, Fahrrad, E-Scooter oder anderen Mitteln fort. »Mobility Hubs erleichtern Menschen den Zugang zu Einzelhändlern in der Innenstadt und helfen zugleich, CO2-Emmissionen zu reduzieren«, sagt Straßburg. Parallel können die Hubs viele weitere Funktionen erfüllen, etwa als Abholstellen für Pakete oder als Nahversorgungszentren.

Doch wie viele Mobility Hubs braucht eine Stadt? Und wo werden sie am dringendsten benötigt? »Unsere Ergebnisse könnten Kommunen auch in städtebaulichen Fragen eine Hilfe sein«, sagt Göbels. Perspektivisch könnten die Daten dabei helfen, eine Stadtplanung voranzutreiben, die innerstädtischen Verkehr eindämmt und den Menschen in den Mittelpunkt planerischer Ziele stellt. Das heißt zum Beispiel, die Qualität der City als gut erreichbares Versorgungszentrum und Begegnungsort auszubauen – zugleich aber Autoverkehr zu verringern und beispielsweise die Luftqualität zu verbessern.

Preisgebende Prognosen: Paradebeispiel Flughafen

Im dritten Projekt beschäftigen sich die Forschenden mit der Frage, wie die Parkflächen an einem europäischen Flughafen optimal zu belegen sind. »Die Parkflächen unterscheiden sich durch ihre Entfernung zum Terminal«, erklärt Göbels. Die Kurzeitparkhäuser etwa befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Airport, andere Parkflächen sind weiter weg, manchmal so weit, dass man mit dem Shuttlebus zum Terminal fahren muss. 

»Über das Online-Ticket-Vorbuchungssystem wissen wir ziemlich genau, wie die Parkhäuser ausgelastet sein werden«, so Göbels. Gemeinsam mit anderen Forschenden am KODIS arbeitet er nun an einem System der dynamischen Bepreisung. Ist ein Kurzzeitparkhaus beispielsweise stark ausgelastet, steigen hier die Preise, um Autofahrerinnen und Autofahrer in die weiter entfernten Parkhäuser zu locken. »Unser Ziel ist es, eine fast volle Auslastung zu erreichen.« Damit wäre etwa in den Kurzzeitparkhäusern immer noch Platz für Fluggäste, die spontan kommen und es eilig haben. »In einem geschlossenen System wie dem am Flughafen, ist die Chance hoch, dass unsere Prognosealgorithmen genaue Werte liefern«, so Göbels.

Während Parkko und park-an also versuchen, auf der Basis von Daten und Erfahrungswerten Stadtmobilität zu modellieren, zeigt das Projekt am Flughafen, wie datengestütztes Parkraummanagement auch privaten Betreibern von Parkräumen helfen kann, ihre Angebote zu optimieren. Doch so unterschiedlich die Projekte sind – eine Gemeinsamkeit haben sie doch: Sie sind alle drei Prognosemodelle, die ein stückweit den Blick in die Zukunft wagen – um Entscheidungen in der Gegenwart auf ein stabiles Fundament zu stellen.

Infografik

Welche Daten für Parkprognosen relevant sein können, zeigt diese Infografik

Projekt park-an

Prototyp zur Analyse kommunaler Daten für das Parkraummanagement

Lesetipp

Die Zukunft des Parkens