KI-Toolbox für Versorgungsunternehmen: Modul KI-Geschäftsmodelle

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Während die Digitalisierung Einzug in die meisten Unternehmensbereiche hält und fast alle Prozesse und Services bereits eine Vielzahl digitaler Informationen generieren, werden diese Daten noch überwiegend dazu genutzt, um Geschäftsprozesse zu analysieren und zu optimieren. Was aber ist, wenn Daten darüber hinaus auch neue wertstiftende Leistungsangebote ermöglichen können, die auf der Nutzung von KI-Technologien basieren?

Durch die voranschreitende Vernetzung haben Unternehmen mehr und mehr Möglichkeiten, Daten zu sammeln, daraus Erkenntnisse zu generieren und so ihre Innovationskraft zu stärken. Doch gerade im Bereich der Geschäftsmodellentwicklung besteht Nachholbedarf. Denn während KI allmählich Einzug in die verschiedensten Prozesse, Services und Produkte hält und immer mehr Anbieter marktreife KI-basierte Lösungen vorstellen, scheint der vorherrschende Tenor darin zu bestehen, KI-Lösungen möglichst nah am bestehenden Tagesgeschäft auszurichten. So können dort zwar Daten analysiert, Arbeitsschritte automatisiert und Prognosen abgegeben werden. Jedoch wird dies der Vielzahl an Chancen und der fortschreitenden Entwicklung von KI nicht gerecht (vgl. Pandya 2019).

Um das volle Potenzial von KI auszuschöpfen, müssen Unternehmen auch ihre Geschäftsmodelle hinterfragen. Im Gegensatz zu KI-Lösungen, welche in spezifischen Unternehmensfunktionen und Prozessen eingesetzt werden und oft nur mühsam auf andere Bereiche übertragen werden können, weisen KI-basierte Geschäftsmodelle in der Regel eine hohe Skalierbarkeit auf (vgl. Fountaine et al. 2021). Entgegen der (meist unbegründeten) Angst, der Einsatz von KI zur Automatisierung monotoner Aufgaben führe zum Abbau von Arbeitsplätzen, steht die klare Chance, durch Einbettung von KI in neue Geschäftsmodelle den Wirkungsraum eines Unternehmens maßgeblich zu erweitern und so als gestaltender Innovationstreiber neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Derzeit sind es noch insbesondere große Tech-Konzerne wie Amazon oder Google, die ihren Kunden KI-Lösungen als Services auf ihren Plattformen anbieten. Doch bieten die Weiterentwicklung der Technologie und deren Einsatzmöglichkeiten auch für kleinere Unternehmen mehr und mehr Möglichkeiten, neue Geschäftsmodelle zu implementieren und die entstehenden Möglichkeiten für sich zu nutzen (vgl. Knupper 2020).

Im Folgenden soll genauer auf Charakteristika und Arten von KI-Geschäftsmodellen eingegangen werden. Dabei erscheint es sinnvoll, zunächst die Eigenschaften von Geschäftsmodellen im Allgemeinen zu betrachten.

KI-Geschäftsmodelle: Typen und Eigenschaften

Unter einem Geschäftsmodell wird gemeinhin die Darstellung jener logischen Zusammenhänge bezeichnet, mit welchen ein Unternehmen Wert für Kund*innen erzeugt und dabei einen Ertrag für die Organisation selbst sichern kann.

Zur Beschreibung und Visualisierung von Geschäftsmodellen gibt es eine Vielzahl von Ansätzen. Während sich in der Praxis insbesondere der Business Model Canvas durchgesetzt hat, ist das V4-Modell von Al-Debei und Avision (siehe Abbildung) aufgrund der hierfür wichtigen Dimension des Wertschöpfungsnetzwerks besonders geeignet, um auch KI-Geschäftsmodelle darzustellen (vgl. Plattform Lernende Systeme).

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Von einem KI-Geschäftsmodell kann immer dann gesprochen werden, wenn mindestens eine der Dimensionen von KI-Technologien ermöglicht oder unterstützt wird.

So ist beispielsweise dann von einem KI-Geschäftsmodell die Rede, wenn wesentliche Teile der zur Bereitstellung eines Service notwendigen Geschäftsprozesse auf KI-Technologien basieren. Im Einzelfall kann das heißen, dass Bahn- und Verkehrsbetriebe ihre Einsatzplanung sowie die Lenkung von Reisenden mittels KI unterstützen, indem sie prognosebasiert Auslastungen, Engpässe und Verspätungen analysieren und so den Bedarf an Zügen genauestens ermitteln können (vgl. Joenssen und Mahinzaeim 2020).

In der Dimension Wertschöpfungsnetzwerk, zu welcher die Kundenbeziehungen eines Unternehmens zählen, kann es KI wiederum ermöglichen, unterschiedliche Punkte in der Kundenhistorie zu analysieren und einzelne Kundengruppen gezielt auf für sie besonders relevante Angebote aufmerksam zu machen, um so die Kundenbindung zu verstärken.

In der Dimension Werteversprechen wäre es für Energieversorger denkbar, (potenziellen) Kund*innen einen KI-basierten Tarifrechner anzubieten, welcher aus den von ihnen bereitgestellten Daten eine passgenaue Empfehlung ermöglicht. Zudem hat die Einführung von KI-Geschäftsmodellen das Potenzial, gänzlich neue Kundensegmente zu adressieren, indem eine intern entwickelte Lösung anderen Unternehmen der Branche in Form eines KI-Dienstes angeboten wird oder es Kunden ermöglicht wird, eigene KI-basierte Geschäftsmodelle aufzubauen. Letzteres hätte von allen bereits genannten Beispielen die wohl größte Auswirkung auf das Selbstverständnis und die Aufstellung eines etablierten Unternehmens und verlangt ein klares Umdenken. Ein solcher Ansatz bietet aufgrund der kosteneffizienten Skalierbarkeit digitaler Lösungen jedoch auch ein gewaltiges Potenzial.

Anhand der hier angedeuteten Möglichkeiten lässt sich bereits erahnen, wie vielfältig die Einsatzzwecke von KI und deren potenzielle Integration in ein Geschäftsmodell sind. Wie kann Unternehmen trotz dieser Komplexität also der Einstieg gelingen?

Wege zum KI-Geschäftsmodell

Die Entwicklung von Geschäftsmodellen unterscheidet sich von anderen Innovationen insbesondere durch ihre Vielschichtigkeit, da in der Regel eine Anpassung gleich mehrerer Kernelemente notwendig und deren sinnvolle Abstimmung entscheidend ist (vgl. Bucherer et al. 2012).

Aus Unternehmenssicht stellen sich also die Fragen, wie ein innovatives Geschäftsmodell auf Basis von KI gestaltet sein muss und wie dessen Entwicklung sinnvoll angegangen werden kann, um am Markt zu bestehen.

Grundsätzlich gibt es zur Entwicklung und Umsetzung datengetriebener und KI-basierter Geschäftsmodelle kein festgelegtes Schema. Jedes Unternehmen ist anders und auch das Vorhandensein kreativer Ideen und unternehmerischen Willens spielen stets eine entscheidende Rolle.

Eine Orientierung können hier jedoch die vier Dimensionen Wertversprechen, Wertschöpfungsarchitektur, Wertschöpfungsnetzwerk und Wertschöpfungsfinanzen bieten (siehe Abbildung). Für diese sollen im Folgenden jeweils geeignete Methoden vorgestellt werden, die bei der zielgerichteten Weiter- und Neuentwicklung von Geschäftsmodellen unterstützen können.

So ist es hilfreich, das am Kunden orientierte Wertversprechen anhand nutzerzentrierter Kreativmethoden wie dem Design Thinking oder dem Value-Proposition-Canvas zu erschließen. Dabei werden, ausgehend vom Standpunkt potenzieller Kund*innen Probleme ergründet, Empathie entwickelt und Bedarfe abgeleitet. Die große Aufmerksamkeit, welche diesen Ansätzen in den vergangenen Jahren zukommt, lässt sich mit dadurch erklären, dass letztendlich immer die Kund*innen über Erfolg und Misserfolg einer Innovation entscheiden. Ergänzend können in dieser Dimension auch technologieorientierter Ansätze verfolgt werden, deren Ausgangspunkt die technologischen Möglichkeiten von KI darstellen. Hier bietet sich beispielsweise die TAS-Methode an, welche zunächst die präzise Beschreibung einer Technologie vorsieht und anschließend einen Prozess der Ideenfindung einleitet.

Bei der Anpassung der Wertschöpfungsarchitektur sind eine entsprechende Analyse der Aufbauorganisation, der wertschöpfenden Prozesse sowie der vorhandenen Ressourcen notwendig. Je nach Art der KI-Anwendung kann eine Überarbeitung bestehender Prozesse und Strukturen ausreichen oder aber der Aufbau neuer Organisationseinheiten sinnvoll sein. Hierbei empfiehlt sich die Analyse relevanter Geschäftsprozesse anhand geeigneter Modellierungswerkzeuge. Ebenso spielen Fachkräfte mit relevanten Kenntnissen aus den Bereichen Data Science und Service Engineering sowie technische Ressourcen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung eines KI-Geschäftsmodells.

Selten verfügt ein Unternehmen allein über alle notwendigen Kernkompetenzen zur Entwicklung KI-basierter Lösungen, weshalb auch eine genaue Betrachtung der Dimension des Wertschöpfungsnetzwerks wichtig ist. Zukünftige Anbieter sollten sich als Teil digitaler Ökosysteme verstehen, in welchen passende Allianzen und Netzwerke entscheidend sind. Denn KI beeinflusst nicht nur die internen Abläufe und Prozesse, sondern hat auch das Potenzial, die bisherige Bedeutung von Kooperation, Wettbewerb und Innovation zu verändern (vgl. Pandya 2019). So kann eine Kooperation mit dem richtigen Technologieanbieter oder Plattformbetreiber erfolgsentscheidend sein. Der Suche nach den richtigen Partnern sollte also zwingend ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Zur umfassenden Betrachtung gehört außerdem eine Analyse der Wertschöpfungsfinanzen. Für den Erfolg eines Geschäftsmodells bedarf es letztlich immer der Zahlungsbereitschaft der Kund*innen für die angebotene Leistung. Ist diese grundsätzlich vorhanden, lässt sie sich durch die unterschiedlichsten Bezahlmodelle monetarisieren. Da klassische Preisfindungsmechanismen hier schnell an ihre Grenzen stoßen, kann der Einsatz von Businessplänen und Simulationswerkzeugen helfen. Eine äußerst hilfreiche Methode bei der Entwicklung von Bezahlmodellen ist die Arbeit mit standardisierten Mustern etablierter Ansätze, von Pay-per-Use bis Freemium. Da es sich bei den meisten Geschäftsmodellinnovationen ohnehin um Rekombinationen bereits bekannter Elemente handelt, können diese Muster oft als Vorlage für ein neu zu entwickelndes Geschäftsmodell dienen.

Ausblick

Wer sich mit KI beschäftigt, dem werden die vielfältigen Potenziale dieser Technologie schnell klar. Über alle Branchen, Unternehmensbereiche und Kundengruppen hinweg bietet KI völlig neue Möglichkeiten. Dabei gehört die Entwicklung KI-basierter Geschäftsmodelle zu den Innovationen mit der wohl größten Veränderungskraft. Gerade wegen der damit verbundenen Chancen dürfen Unternehmen die Auseinandersetzung mit diesem Thema nicht scheuen, um das volle Potenzial der Technologie auszuschöpfen. Neben den vorgestellten Methoden, die einen guten Einstieg bieten, ist dabei auch immer ein umfassender Blick auf die in einem Unternehmen vorhandenen Kompetenzen und Entwicklungspotenziale notwendig.