
Eine Stuttgarter Kafeerösterei macht sich fit für die Zukunft - mit Unterstützung des Kompetenzzentrums Smart Service
Das Kompetenzzentrum Smart Services des Fraunhofer IAO unterstützt Unternehmen bei der Entwicklung neuer, digitaler Dienstleistungsangebote. Das Beispiel der Fröhlich Kaffeerösterei in Stuttgart zeigt: Die Hilfe schafft Arbeitsplätze.
Meike Fröhlich erinnert sich gut an diesen Abend im Februar 2024, als Freude und Verzweiflung dicht aufeinanderfolgten. Im Fernsehen lief ein Beitrag über ihre Stuttgarter Kaffeerösterei, ein Arzt beschrieb Kaffeetrinken in der Sendung als gesund. Sekunden später gingen Bestellungen aus ganz Deutschland ein. So viele, wie sonst in einem halben Jahr.
»Zuerst habe ich mich gefreut«, sagt Meike Fröhlich. »Aber dann habe ich Panik bekommen.« Denn die Auftragsflut traf sie unvorbereitet: Ihr Mann würde tagelang an der Röstmaschine stehen müssen, während sie selbst hunderte von Rechnungen würde schreiben und hunderte von Paketen würde versandfertig machen müssen. Es ist ja toll, wenn das Geschäft brummt. Aber was, wenn es plötzlich zu viel wird?
Meike Fröhlich betreibt die Rösterei in Stuttgart seit dem Jahr 2000. Sie beschreibt das Unternehmen als kleinen Dinosaurier unter den Kaffeeröstereien. Und vielleicht hatte auch der Onlineshop im Februar 2024 noch etwas Urzeitliches. »Mir war die Internetseite lange nicht so wichtig«, sagt Fröhlich. Nun musste sie etwas verändern. Doch wo anfangen?
Meike Fröhlich nahm Kontakt zur Wirtschaftsförderung in Stuttgart auf, die sie an das Kompetenzzentrum Smart Services vermittelte. Hierbei handelt es sich um eine Gemeinschaftsinitiative des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO und einer Reihe von Partnern, die Unternehmen bei der Entwicklung von digitalen Geschäftsmodellen und Dienstleistungen unterstützt. Der Koordinator des Kompetenzzentrums, Thomas Meiren, beschreibt das Konzept so: »Wir bringen innovative Forschung in den Alltag von kleinen und mittleren Unternehmen.«
Kurze Zeit nach der ersten Kontaktaufnahme trafen sich Fröhlich und Vertreter des Kompetenzzentrums Smart Services zum ersten Mal. Gemeinsam nahm man eine Bestandsaufnahme vor. Wer sind die Kundinnen und Kunden der Rösterei? Wie erreicht man sie? Wie kann man weitere Vertriebskanäle aufbauen? Und was würde Meike Fröhlich entlasten?
Das Kompetenzzentrum Smart Services hat viel Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Unternehmen. Es blickt auf 236 Impulsprojekte, wie die Kooperationen hier heißen, zurück. Darunter war ein Gasthaus, dem man half, einen passenden Service-Roboter zu finden. Nun fährt der kleine Helfer in Furtwangen über einen gepflasterten Hof und transportiert Maultaschen, Kartoffelsuppe und Ochsenfleisch. Gemeinsam mit einem Lebensmittelhersteller entwickelte das Zentrum einen Trackingcode für mehr Transparenz in der Lieferkette. Einem Goldschmied in Pforzheim half man, einen 3D-Drucker zu entwickeln, der Prototypen von Schmuckstücken fertigt.
Thomas Meiren, Leiter des Teams »Service Engineering« am Fraunhofer IAO
Während der Coronapandemie gegründet, weitete das baden-württembergische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus die Aktivität des Kompetenzzentrums Smart Services massiv aus, mit dem Ziel, Digitalisierung und Innovation der Dienstleistungswirtschaft in Baden-Württemberg zu fördern. Zu diesem Zweck veranstaltet das Kompetenzzentrum Tagungen, Unternehmerabende und Workshops. Bis Januar 2025 waren es 242 Veranstaltungen mit 8.700 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Und es setzt auf ein breites Netzwerk – zu seinen Partnern gehören neben dem Fraunhofer IAO das Institut für Betriebsführung, die Universität Siegen, die Hochschule Furtwangen und die Hochschule Konstanz. »Wir verbinden Wissenschaft und Praxis zum Nutzen kleiner und mittlerer Unternehmen«, so Thomas Meiren.
Meike Fröhlichs Kaffeerösterei half man zunächst mit einer neuen Online-Vertriebsstrategie. So fehlten auf der Internetseite Angebote für Unternehmen, also Büros, Praxen oder Mittelständler, die Wert auf handwerklich gerösteten Kaffee legen. Und so half das Kompetenzzentrum Fröhlich dabei, eine Online-Anlaufstelle für die B2B-Kundschaft zu schaffen, was gleich einen Effekt zeigte: Die Rösterei bekam noch mehr Aufträge. Und Meike Fröhlich stand fortan jeden Tag im Laden, beriet Kundinnen und Kunden, gab Kaffee-Seminare und kümmerte sich um Abrechnung, Buchführung und den Onlineshop.
Vor allem der bereitete ihr anfangs noch zu viel Arbeit, weil der alte Shop nicht besonders »smart« war. Bestellungen wurden nicht mit Kundendaten verknüpft, und so musste die Unternehmerin Rechnungen, Lieferscheine und Versandetiketten händisch erstellen. »Eine Lösung musste her«, sagt Meike Fröhlich.
Dr. Alexander Gorovoj, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Kompetenzzentrum, machte sich gemeinsam mit Fröhlich auf die Suche. Dabei achteten die beiden auf die Fähigkeiten des Onlineshops, auf den Preis, aber auch auf die Bedienbarkeit, für die Kundschaft und für Fröhlich selbst. »Uns war ganz wichtig, dass der Shop nicht zu kompliziert in der Anwendung ist«, sagt Gorovoj. Der neue Onlineshop nutzt die Kundendaten, um Versandlabel, Rechnungen und Lieferscheine automatisch zu erstellen. Und er bietet zahlreiche Bezahlarten an, was wichtig ist, damit Kundinnen und Kunden nicht im letzten Moment abspringen.
Dr. Alexander Gorovoj, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am KODIS des Fraunhofer IAO
Der Vorteil, den das Kompetenzzentrum Smart Services bietet: »Wir schauen unvoreingenommen, was es auf dem Markt gibt, und können das basierend auf den Wünschen der Betriebe bewerten«, sagt Gorovoj. Wenn es etwas nicht gebe, könne man es allerdings auch selbst programmieren, sei es eine App oder eine Anwendung für Künstliche Intelligenz.
»Es ist eine tolle Sache, dass wir kleinen Betriebe so unkompliziert Hilfe bekommen«, sagt Meike Fröhlich. Sie hat eine zweite Filiale eröffnet und eine größere Röstmaschine gekauft. Das Unternehmen wächst. Und der Anteil des Onlineshops am Gesamtumsatz ist laut Fröhlich von zwei auf 20 Prozent gewachsen. Trotzdem bleibt ihr Zeit, um Kundinnen und Kunden zu erklären, welche Kaffeebohne nach Schokolade, welche nach Walnuss und welche nach Bergamotte schmeckt.
Und das Geheimnis um die gesundheitsfördernde Wirkung von Kaffee? Es liegt auch in der Röstung verborgen. In handwerklichen Betrieben wie bei Fröhlich wird Kaffee über eine lange Zeit mit niedriger Temperatur geröstet, 15 bis 20 Minuten, Espresso sogar bis 30 Minuten, bei maximal 190 Grad. Dadurch werden die Säuren im Kaffee so beeinflusst, dass sie den Magen wenig belasten, berichtet Fröhlich. Das Naturprodukt Kaffee behalte seine antioxidative Wirkung, die Zellen gesund hält und Krankheiten vorbeugt. Kaffee sei nichts anderes als flüssiges Gemüse, sagte der Arzt in dem Fernsehbeitrag. Was er nicht wissen konnte: Er löste damit nicht nur einen Boom aus – sondern auch eine kleine digitale Revolution.